Sechs Stunden am Stück – Barefoot !

Oliver Stief : Typisches Novemberwetter: Windstille, Temperaturen zwischen vier und acht Grad im Tagesverlauf, nachmittags kämpfte die Sonne sich vereinzelt durch die hochnebelartige Bewölkung. Traumhafte Rahmenbedingungen also für den inzwischen zum neunten Mal ausgetragenen Sechs-Stunden-Lauf in Bokel.

Ziel des Tages war das Durchhalten; die Anzahl der gelaufenen Kilometer war relativ nebensächlich. Sechs Stunden am Stück galt es also Kilometer um Kilometer möglichst energiesparsam zurückzulegen. Die Laufstrecke ist genau 2050 Meter lang und führt zu rund einem Drittel durch Gehölz; der Rest der Strecke führt durch die Straßen im Zentrum der Gemeinde.

Ausgetragen wird dieser Ultra-Lauf im Sechs-Stunden-Plus-Modus. Das heißt: Wer vor Ablauf der Zeit die Runde vollendet hat, darf noch eine weitere zu Ende laufen. Und das zeichnet die Ultras in der Laufszene aus! Wer sich nach 5:57 h auf den Beinen über weitere Kilometer freut, hat sich offensichtlich die Kräfte gut eingeteilt. O-Ton kurz vor Zielschluss: „Toll, wir dürfen noch eine Runde… bist du dabei?“ Bei welchen Laufveranstaltungen hört man schon solche Formulierungen ? Im Ziel dann nur fröhliche Menschen, die allesamt stolz auf das Geleistete waren. Die unglaublich familiäre Atmosphäre zeichnet diese Laufveranstaltung aus.

Zu meinem Erlebnis:

Angetrieben von den Inhalten des Buches „BORN TO RUN“ (Christopher Mc Dougall) beschäftige ich mich seit einigen Jahren mehr oder weniger intensiv mit dem natürlichen Laufen, dem Barfußlaufen. Inzwischen gibt es auf dem Markt eine ganze Reihe von Schuhen, die dem Sportler ein möglichst natürliches Lauferlebnis bieten. Was mich dabei nervt: die relativ hohen Preise für quasi Nichts am Fuß. Das musste auch anders zu lösen sein! Vor einigen Jahren kaufte ich mir deshalb für 10 € ein paar Strandschuhe – und erfand anschließend für mich das Laufen noch einmal neu! Ich experimentierte an diesem Modell anfangs ein wenig herum, absolvierte Schwimm-Lauf-Einheiten in Vorbereitung für die SwimRun-Wettkämpfe, lief schon mal an heftigen Regentagen auf Asphalt, Feld- und Waldwegen, oft bewusst mitten durch tiefe Pfützen – immer und immer wieder. – Und es machte einen Heidenspaß! Damit sich kein Stauwasser sammelten konnte, versah ich die Sohlen mit diversen Bohrlöchern. So vermied ich Reibung zwischen den Zehen und beugte Blasenbildung vor. Allerdings scheute ich mich bisher vor langen Läufen. Die Einheiten spielten sich im Bereich zwischen sechs und neun Kilometern ab. Das sollte sich nun ändern!

Der Unterschied zwischen den verschiedenen Laufstilen ist übrigens hörbar. Barfußläufer bewegen sich nahezu lautlos durch die Landschaft

Einige Zitate aus dem Buch:

Schuhe blockieren den Schmerz, nicht den Aufprall! Der Schmerz lehrt uns, bequem zu Laufen. Sobald du anfängst, barfuß zu Gehen, wird sich dein Laufstil ändern.

Eine geschwächte Fußmuskulatur ist das größte Problem, das zu Verletzungen führt, und wir haben es zugelassen, dass unsere Füße im Lauf der vergangenen 25 Jahre erheblich geschwächt wurden.

Pronation ist ein ganz schlimmes Wort geworden, aber sie ist nichts anderes als die natürliche Fußbewegung. Der Fuß soll pronieren.

Wer erleben will, wie Pronation funktioniert, der ziehe seine Schuhe aus und laufe einige Meter auf Asphalt. Die Füße werden auf hartem Belag für kurze Zeit die Gewohnheiten ablegen, sie sie sich in Schuhen erworben haben, und automatisch auf den Selbstschutz umstellen: Die Person wird feststellen, dass sie auf der Fußaußenseite landet und dann vom kleinen Zeh bis zum großen Zeh sanft abrollt, bis der Fuß ganz aufliegt. Das ist Pronation – nichts anderes als eine sanfte, den Aufprall absorbierende Drehung, die es dem Fußgewölbe ermöglicht, sich zusammenzuziehen.

Ich habe das Buch mehrfach gelesen und bin immer wieder fasziniert! Das war also mein Antrieb für das heutige Experiment – meinen ersten Barefoot-Ultramarathon! Die kurzen Runden boten ideale Voraussetzungen; und im Problemfall hätte ich schnell die Schuhe wechseln können. Aufgeben war also keine Option.

Den Lauf ging ich ganz ruhig an, die ersten zehn Kilometer in knapp über einer Stunde. Natürlich fingen die Beine nach rund drei Stunden leicht an zu zwicken – vorwiegend die Oberschenkel. Alles in allem war der Run jedoch ein Genuss und eine Wohltat für Körper und Seele. Mit den Durchhalten gab es überhaupt keine Probleme und ich genoss das besondere Empfinden auf den unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten. Irgendwann ist die Zeit um und du empfindest Stolz – so wie viele weitere von anfangs rund 100 Ultra-Athleten. 50 Gesamtkilometer in 6 Stunden 23 Minuten – alles ohne Langstrecken-Training mit rund 20 Wochen-Laufkilometern in den vergangenen Monaten – kamen schließlich zusammen.

Alles ist möglich, du musst es nur tun und im Kopf frei sein.

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Zwischenstand CycloCross-Bundesliga

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